DOKUMENTATION: »Das Wunder von Wörgl (Tirol 1932-1933)«

Es muss immer wieder darauf hingewiesen, daß das Geld wie wir es heute kennen, nicht einem Naturgesetz entspricht, sondern von Menschen gemacht wurde und dementsprechend auch jederzeit durch eine demokratische Entscheidung neugestaltet und uabeändert werden kann. Da wir in diesem Moment wieder einmal den Zeitpunkt erreicht haben, wo das Geldsystem am Abgrund steht, macht es Sinn alternative Geldsysteme zu durchleuchten und vor allem auch solche zu analysieren, die in der Vergangenheit schon funktioniert haben.

Hierzu gehört sicherlich das „Freigeld“, das vom, leider sehr wenig bekannten Ökonomen, Silvio Gesell, konzipiert wurde. Silvio Gesell erkannte, dass Geld im Gegensatz zu allen anderen Produkten einen großen Vorteil hat, es altert nicht. Aus diesem Grund ist jeder interessiert seine Produkte so schnell wie möglich loszuwerden und dafür Geld einzutauschen. Dies hat zur Folge dass jeder Geld haben will und es auch gerne hortet. Um das Geld wieder in den Umlauf zu bringen, bedarf es eines Anreizes, des Zinses. Wenn man aber weiß, wie Geld geschöpft (erzeugt) wird und dass alles Geld immer nur eine Schuld ist (darauf wird im Vortrag und weiteren Artikeln eingegangen), und wenn man desweiteren die Exponentialfunktion des Zinseszinseffekts kennt (Kn= K0 (1+p/100)n ), wird sehr schnell klar, dass wir es hier im wahrsten Sinnes des Wortes mit einem hochexplosiven System zu tun haben. Die Gesamtverschuldung einer Wirtschaft steigt in dieser absurden Konstruktion des Geldsystems zwangsläufig exponentiell an bis ein nicht mehr tragbares Maß erreicht ist. In diesem Moment kommt es zu einer vollkommenen Zerstörung der Werthaltigkeit des Geldes, was sich sehr oft in einer Hyperinflation bemerkbar macht. Die Folgen sind nicht selten Verarmung, Bürgerkrieg und auch Krieg.

Staatsschulden der USA von 1792 – 2012

USDebt-GDP and DeficitGDP Form 1792to2012

Die vorgeschlagene Lösung von Silvio Gesell ist das sogenannte umlaufgesicherte Geld. Das Geld wir mit einem negativ Zins (Umlaufsicherung) behaftet, wodurch es sich nicht mehr auszahlt Geld zu horten, da zu jedem Monatsende das Geld, um beispielsweise 5%, entwertet wird. Dadurch erreicht man in einer Wirtschaft eine hohe Umlaufgeschwindigkeit des Geldes.

 

Umlaufgesichertes Geld wurde vom Bürgermeister Michael Unterguggenberger von der Gemeinde Wörgl 1932 eingeführt. Der Erfolg dieser Initiative ist bemerkenswert. Siehe den kurzen Filmausschnitt aus dem Film „Der Geist des Geldes“

 

Welche Überlegungen zu einem umlaufgesicherten Geld sind noch wichtig?

Viele Regional- und Parallelwährungssysteme haben das Prinzip des Negativzinses in ihr Konzept aufgenommen, und es ergeben sich durchaus Vorteile. Wir selbst haben vor ca. 20 Jahren in Südtirol den ersten Talentetauschkreis nach diesem Prinzip ins Leben gerufen. Aus den geschichtlichen Erfahrungen des Freigeldes und den Erfahrungen der Regionalwährungen kann man jedoch auch erkennen, dass einige Probleme mit einer reinen Umlaufsicherung des Geldes durchaus nicht gelöst wurden und auch nicht lösbar sind. Aktuell werden verschiedene umlaufgesicherte Geldsysteme diskutiert, wie etwa Gradido (www.gradido.net) oder der Plan B (http://www.wissensmanufaktur.net/)

Ein umlaufgesichertes Geld ohne Zinsen bringt im Gengensatz zum jetzigen System sicherlich den Vorteil, dass die Geldhortung aufhört bzw. dem Geld die Funktion der Wertaufbewahrung genommen wird, dennoch bleibt es ein Tauschmittel. Aber es gibt für die heutige Situation, unserer Meinung nach, bessere Systeme. Hier einige Gründe, warum auch eine radikale Abkehr vom universellen Tauschmittel notwendig ist:

  • Durch die Umlaufsicherung würde eine Beschleunigung der Wirtschaftskreisläufe erfolgen, derzeit besteht aber in den meisten Wirtschaftssektoren Überproduktion, die nur durch geplante Obsoleszenz (Glühlampen Lebenszeit wurde auf 1000h optimiert), Vernichtung frischer Waren (Wien vernichtet täglich Brot und Gebäck, mit dem man Graz ernähren könnte) oder Marketingstrategien (Mode) bescheidene Gewinne abwerfen; Folgen sind ‚gesunder‘ Wettbewerb, Ressourcenverbrauch, Umweltzerstörung, Konkurrenzkampf und Krieg. Wollen wir das wirklich? Kann umlaufgesichertes Geld diese Probleme lösen? Wir glauben nicht!
  • In den nächsten 10 – 20 Jahren findet eine sich beschleunigende Automatisierung der Arbeitswelt statt und befreit die Menschen immer mehr von Arbeit, aber auch von Einkommen aus Lohnarbeit (Verweis auf den Ökonom Jeremy Rifkin). Das vielfach als Lösung angedachte BGE in den umlaufgesicherten Geldsystemen bzw. Geldsystemen mit Tauschmittelfunktion würde aber nur für ein Lebensminimum reichen, weil die Realwirtschaftsunternehmen die Preise genau in dieser Höhe einpendeln würden. Eine staatliche Preisregulierung, die hier steuernd eingreift, wäre im Endeffekt die Einführung der Planwirtschaft und das Ende des freien Marktes. Wer will das?
  • Das umlaufgesicherte Geld ist nach wie vor ein Tauschmittel. Durch Informationsasymmetrie im Tausch, einem Dogma der Wirtschaftswissenschaften, (der eine Tauschpartner weiß mehr als der andere) findet auch dort ständig eine Umverteilung vom normalen Bürger zum cleveren, Monopolisten oder tüchtigen Geschäftsmann statt. Die Folge, am Ende gewinnt Einer und Viele bleiben auf der Strecke, das Ergebnis eines jeden Nullsummenspiels. (Zitat Brecht: „Reicher Mann und armer Mann standen da und sahn sich an. Und der Arme sagte bleich: »Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich«.“)
  • Unterschiedliche Biographien können im umlaufgesichertem Geldsystem bzw. Geldsystemen mit Tauschmittelfunktion nicht berücksichtigt werden (Studenten, Menschen mit Behinderung oder Rentner), außer durch komplizierte staatliche Eingriffe und einem enormen bürokratischen Überbau mit Regeln, die wiederum allesamt zu Missbrauch einladen, jedoch in einem System, das nicht auf direktem Tausch basiert, nicht notwendig wären.

Als Lösung würde sich statt des universellen Tauschmittels ein Verrechnungssystem anbieten, das wie ein Gutschein funktioniert, ohne die negativen Aspekte des Tauschmittels. In einem solchen System entfallen bilaterale Verträge und es gibt nur persönliche Übereinkünfte mit der gesamten Gesellschaft. Geld als universelles Tauschmittel oder Wertaufbewahrungsmittel funktioniert nicht mehr. „Geld“ (Informationsgeld) ist nur mehr ein Wertmaßstab, eine wertlose Zahl. Sie wird immer dann neu geschöpft, wenn man eine Leistung erbringt und beim Konsum eines Produktes oder einer knappen Dienstleistung wieder vernichtet. Für den Konsum von Gütern und Dienstleistungen, die es im Überfluss gibt, muss nicht gezahlt werden. Dennoch erhält der Produzent für seine Leistung neues Geld auf seinem Konto geschöpft. Voraussetzung dafür ist die Abkehr vom Wirtschaftsdogma „Ich kann nur das im Konsum ausgeben, was ich in der Produktion verdiene“, also eine Entkoppelung der Güterproduktion von der Güterverteilung. Diese Entkoppelung hat zur Folge, dass Preisasymmetrie (ich bezahle nicht denselben Preis, den du für das Produkt erhältst) möglich wird und Informationsasymmetrie sowie Wettbewerb oder Kämpfe um Marktanteile nicht mehr notwendig sind. Im Gegenteil, die Weitergabe von Wissen, Fähigkeiten und die Kooperation sind ausdrücklich erwünscht. Sie beseitigen Hürden im gesellschaftlichen Miteinander und werden zum Beschleuniger für die Entwicklung einer humanen Gesellschaft.

 

Dieses System wird von Prof. Franz Hörmann vorgeschlagen. Eine genaue Beschreibung findest du hier: http://humaneconomy.it/deutsch/neue-finanz-und-geldsysteme/informationsgeld/

 

 

 

Bibliographie:

Hermann Benjes „Wer hat Angst vor Silvio Gesell?

Tobias Plettenbacher „Neues Geld Neue Welt Die Wirtschaftskriese – Ursachen und Auswege“

Film: Der Geist des Geldes

www.informationsgeld.info