„Workshop für Richter, Anwälte, Notare und Wirtschaftsberater“
„Gesetzliche Grundlagen zur Geldschöpfung von Privatbanken“
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Original-Titel in italienischer Sprache:
Elementi giuridici del sistema di creazione
di mezzi monetari delle banche private
abgehalten am 26. November 2015 im Kolpinghaus in Bozen
Referenten:
- Dott. Nicolas Giannakopoulos
- Avv. Marco Della Luna
- Univ.-Prof. Dr. Franz Hörmann
- Dott. Alessandro Govoni
Hier zu Videos und ausführlichen Texten
ZUSAMMENFASSUNG IN DEUTSCHER SPRACHE
Hauptgegenstand des Workshops für Juristen und Wirtschaftsberater war die Erörterung der rechtlichen Probleme des bestehenden Geldsystems sowie der Giralgeldschöpfung. Hierbei konnten die Referenten Antworten auf folgende elementare Fragestellungen geben.
Hinweis: In den nachstehenden Textabschnitten wird die Kenntnis des Konzepts der “Giralgeldschöpfung” (Buchgeldschöpfung) von Privatbanken vorausgesetzt. Für die Erläuterung dieses Konzeptes und seiner Funktionsweise verweisen die Verfasser auf die Publikationen, die auf der Website von Human Economy (www.humaneconomy.it/deutsch) veröffentlicht sind, bzw. auf die vorangegangenen Pressemitteilungen und Dossiers der Initiativgruppe.
Was bezeichnet der staatliche und der europäische Gesetzgeber als „Geld“ bzw. als gesetzliches Zahlungsmittel?
Gemäß den einschlägigen europäischen Rechtsnormen, die von sämtlichen Mitgliedstaaten im Zuge der Währungsunion ratifiziert und in das eigene Rechtssystem übernommen wurden, beschränken sich die gesetzlichen Zahlungsmittel auf Bargeld, also Banknoten und Münzen (Art. 128 Vertrag über die EU [Quelle] (Vertrag von Maastricht), EG-Verordnung Nr. 974/98). Das von Privatbanken geschöpfte Buchgeld (Giralgeld), das in Form einer Gutschrift auf dem Girokonto eines Bankkunden aufscheint, ist kein gesetzliches Zahlungsmittel. Es wird von einem nicht ermächtigten Rechtssubjekt (einer privaten Bank) erzeugt und dessen Werthaltigkeit hängt von der Zahlungsfähigkeit (Bonität) desselben ab. Eine Gutschrift ist nichts anderes als eine Forderung auf gesetzliche Zahlungsmittel des Kunden der Bank gegenüber bzw. eine Verbindlichkeit der Bank dem Kunden gegenüber. Im Vergleich dazu hängen die vom System der Europäischen Zentralbanken erzeugten gesetzlichen Zahlungsmittel von niemands Bonität ab.
Welche Institutionen haben die Hoheit über die Geldschöpfung von legalen Zahlungsmitteln? Wie sieht die Praxis der Geldschöpfung aus?
Die Geldschöpfung ist nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsnormen und des italienischen Bankeneinheitstextes (D.Lgs. 385/1993) ebenfalls einzig dem System der Europäischen Zentralbanken vorbehalten. Eine Privatbank ist demnach nicht dazu befugt, Geld zu erzeugen. Dennoch ist die Schöpfung von Buchgeld die gelebte Geschäftspraxis sämtlicher privater Banken.
Ist das sogenannte „Buchgeld“ wirkliches „Geld“?
Betrachtet man das Produkt dieser Schöpfung, also das Buchgeld, streng rechtlich, so ist kein Geld im Sinne eines legalen Zahlungsmittels entstanden, sondern eine Forderung und zeitgleich eine Verbindlichkeit auf gesetzliche Zahlungsmittel. Die Bank erzeugt im Zuge der Kreditvergabe (ex nihilo – “aus dem Nichts”, bzw. auf der Grundlage der Bewertung von Realwerten als Sicherheiten des Kreditnehmers) zeitgleich eine Forderung und einen Verbindlichkeit dem Kreditnehmer gegenüber. Die entstandene Bankverbindlichkeit ist dabei die Einlage auf seinem Konto. Für diesen Schöpfungsakt greift die Bank jedoch auf keinerlei vorher existierende Zahlungsmittel oder Vermögenswerte zurück, sondern schreibt dem Kreditnehmer per elektronischer Buchung den gewünschten Betrag gut, oder besser gesagt, sie bleibt ihm die gesetzlichen Zahlungsmittel einfach schuldig. Diese frisch geschaffene „“Bankschuld“ (Recheneinheiten auf dem Konto) erhält im alltäglichen Warenverkehr – aus reiner gesellschaftlicher Akzeptanz, jedoch ohne rechtliche Grundlage – Kaufkraft und wird deshalb „Geld“ genannt. Es entsteht aber lediglich „Buchgeld“ bzw. „Giralgeld“. Dieses ist kein positiver Wert, es ist eine Schuld, sogar eine doppelte Schuld, die buchhalterisch auf beiden Seiten der Bankbilanz festgehalten wird: auf der Aktivseite (als Forderung gegenüber dem Kreditnehmer – Schuld des Kreditnehmers) und auf der Passivseite (als Verbindlichkeit gegenüber dem Kreditnehmer – Schuld der Bank).
Ist ein Bankdarlehen ein „rechtmäßiges“ Darlehen?
Auf der Grundlage dieser Tatsache kann gefolgert werden, dass ein Bankdarlehen somit kein wirklicher, den gesetzlichen Vorgaben entsprechender Darlehensvertrag ist. Für einen Darlehensvertrag gemäß Art. 1813 ZGB bedarf es zweierlei entscheidender Voraussetzungen: zum einen die Existenz des Darlehensgegenstandes (die Geldsumme bzw. das Vermögen), zum anderen das Eigentum dieses Gegenstandes. Kurz gesagt: Niemand kann etwas verleihen, das es nicht gibt und das sich nicht in seinem Eigentum befindet. Ein Darlehensvertrag bedingt also vorhandenes Eigenkapital; im Moment der Übergabe des Darlehensgegenstandes (traditio pecuniae) wird der Vertrag geschlossen und entfaltet seine Rechtswirkung.
Bei der Kreditvergabe einer Bank entsteht lediglich ein „Darlehensversprechen“, denn es findet keine Übergabe eines Darlehensgegenstandes im Moment des Vertragsabschlusses statt: Die Bank bleibt den Geldbetrag „schuldig“ (s. Passivseite der Bankbilanz: „Kreditverbindlichkeit an Kunde“). Dieses Schuldeingeständnis, ein negativer Wert, das als Gutschrift auf dem Girokonto des Kreditnehmers festgehalten ist, wird „Geld“ genannt, obwohl es dies gar nicht ist. Bei einer Banküberweisung des Kreditnehmers an einen Lieferanten – beispielsweise für die Bezahlung einer Lieferung – findet also keine Übertragung von Geld statt, sondern lediglich die Übertragung eines Schuldverhältnisses (personelle Änderung des Schuldverhältnisses: das Kredit-Schuld-Verhältnis zwischen dem Bankkunden A mit der Bank A wird durch ein Kredit-Schuld-Verhältnis zwischen dem Lieferanten B und der Bank des Lieferanten B abgelöst). Auf der Grundlage des Gesagten ist es selbsterklärend, dass diese Praxis nur so lange aufrecht bleibt, solange sich die Banken gegenseitig vertrauen, d.h. wechselseitig an die Bonität und das Geldschöpfungsvermögen der anderen Bank glauben.
Welche Dynamiken können sich durch dieses System hinsichtlich des organisierten Verbrechens in Gang setzen?
Nach Aussagen des Rechts- und Ermittlungsexperten Dott. Nicolas Giannakopoulos, kommt es häufig dazu, dass Banken, die in eine finanzielle Schieflage geraten sind (das wertgesicherte Vermögen der Bank deckt nicht die zu bedienenden Verbindlichkeiten), mit Geld des organisierten Verbrechens finanziell gestützt werden.
Diese Praxis hat beispielsweise bei der Sanierung von amerikanischen Banken mehrmals stattgefunden: Eine krisengeschüttelte Bank akzeptiert Geld (s.g. „Narco-Dollars“) des lateinamerikanischen Drogenkartells um sich – zumindest zeitweise – finanziell über Wasser zu halten. Dabei wird der Missbrauch in der Regel nur noch verstärkt. Nach Erhalt der illegalen Zahlungsmittel durch das organisierte Verbrechen werden an Drahtzieher, Unternehmen und Personen des illegalen Netzwerks mittels neuer Buchgeldschöpfung Kredite vergeben, die niemals zurückbezahlt werden. Konsequenz: die Bank gerät erneut in die Insolvenz und wird anschließend (unter Verweis auf die eigene Systemrelevanz) durch den Steuerzahler gerettet. Dies ist vorsätzlicher Betrug.
Welche unmittelbar praktikablen Methoden gibt es, um Banken ohne jegliche Aufwendung von Steuergeld zu sanieren?
Nachdem die weit überwiegende Geldmenge einer Bank reines Buchgeld ist, ist eine Banksanierung auch mit den reinen Mitteln der Buchhaltung, und somit ohne Steuergeld, möglich. Der so genannte „debt equity swap“, ein Buchungsvorgang, wäre eine praktikable Lösung, um den akuten Systemproblemen der Bankenkrisen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dabei ist es nicht notwendig, dass Steuergeld aufgewendet wird um die s.g. „systemrelevanten“ Banken zu retten. Ohne auf die Einzelheiten dieses Buchungsvorganges einzugehen, würden die Verbindlichkeiten einer Bank in Schieflage in Eigenkapital des Gläubigers umgewandelt werden, wobei der Staat als Gesellschafter in die Bank einsteigt. Auf diese Weise würde der Staat gewissermaßen auch die Geldschöpfungshoheit, die er de facto in der Geschäftspraxis an die Privatbanken abgegeben hat, zurückgewinnen. Für die Details und die Funktionsweise dieser Sanierungsmethode wird auf die entsprechende Literatur (z.B. „Argumente gegen die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Schadens von Banken bei Kreditausfällen aufgrund der technischen Giralgeldschöpfung“, ao. Univ.-Prof. Dr. Franz Hörmann im Rahmen des HumanEconomy-Workshops in Bozen) verwiesen.